Kunst am RuhrtalRadweg

... Spuren der Annette von Droste-Hülshoff ...

 

Annettes Vermächtnis
 

 Ariane Hacks tein, 2009 
Kunsthistorikerin, MA

Auf dem Ruhr-Radwanderweg zwischen Olsberg und Arnsberg begegnen dem Radler Schriftzüge, fragmentarische Sätze ohne Anfang und Ende. Weiße Schreibschrift auf Asphalt oder Beton, aufgetragen wie Verkehrshinweise auf Straßen. Die Buchstaben sind groß genug, um sie mühelos zu lesen, doch dehnen sich die Worte und unvollendeten Sätze meterweit in die Länge, als Ganzes kaum wahrnehmbar. Unerwartet liest sich die auf den Weg gemalte Schrift beiläufig Stück für Stück, man schnappt einzelne Worte oder Satzfragmente auf:

Zitate aus dem Werk der Annette von Droste-Hülshoff auf dem Ruhrradwanderweg. Die bedeutende deutsche Schriftstellerin bereiste als 27jährige junge Frau mit der Kutsche das obere Ruhrtal zwischen Ruhrquelle und Arnsberg und hinterließ ihre Eindrücke der Landschaft und vom Westfälischen in zwei Prosastücken. 2009 bringen die Künstler Klinke und Köster „Annettes Vermächtnis“ an seinen Entstehungsort zurück. Sie würdigen damit die beeindruckende und selbstbewusste Dichterin und machen Ausschnitte aus deren kaum bekannter Reisebeschreibung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.

Die Künstler wählten vier unterschiedlich lange Passagen aus dem historischen Material aus. Dabei bestimmten Lautmalerei und Sprachrhythmus die Auswahl in gleicher Weise wie die inhaltlichen Bedeutungen der Wörter. Die poetischen Schriftbilder wecken Aufmerksamkeit für die durchfahrene Landschaft – der radelnde Leser verbindet Schrift und Landschaft unweigerlich miteinander und schafft sich damit sein eigenes Wortbild.

Annnette von Droste-Hülshoff beschrieb die Ruhrlandschaft und ihre Ortschaften 1824 während eines Aufenthaltes auf Schloss Gevelinghausen. Ein Jahr bevor sie ihre erste größere Reise an den Rhein nach Köln, Bonn und Koblenz unternahm, hielt sich die Dichterin als Gast auf dem Stammsitz ihrer Schwägerin in Olsberg auf und verarbeitete ihre Erlebnisse. Die Autorin berühmter Balladen wie Der Knabe im Moor hat mit diesem Bericht einem unbedeutenden Landstrich ein literarisches Denkmal gesetzt. Wie lesen sich jene in vorindustrieller Zeit geschriebenen Zeilen heute, wo Chausseen zu Autobahnen und Bundesstraßen ausgebaut sind und neue Technologien dem Menschen vielfältiges und rasantes Wachstum erlauben? Ändert sich unser innerer Dialog, wenn wir Ursprung und Alter der Worte erfahren?

Die Schriftbilder sind ein stilles Denkmal für Annette von Droste-Hülshoff und ihre flüchtige, aber prominente Präsenz in dieser Region. Worte, die im Archiv schlummern, kommen ans Tageslicht. Befreit vom historischen Gewand entfalten sie in der Natur ihre eigene Bildkraft und wirken auf ihren Ursprungsort zurück. Vereint mit der Landschaft werden die Gedanken der Dichterin auf dem Boden lebendig und veranschaulichen eine literarische Spur an der Ruhr.

 

 

 

Annettes Vermächtnis
 

Konzept
 

Eine der bedeutendsten deutschen Dichterinnen, Annette von Droste-Hülshoff, bereiste 1824 das obere Ruhrtal zwischen Ruhrquelle und Arnsberg. Ausgangspunkt ihrer Ausflüge war Schloss Gevelinghausen, der Stammsitz ihrer Schwägerin. Er liegt in einem Ortsteil der Stadt Olsberg.

Annette von Droste-Hülshoff hat ihre Landschaftseindrücke dieser Region in einem Manuskript festgehalten. Zitate aus diesem begleiten den Radwanderer auf dem RuhrtalRadweg zwischen Olsberg und Arnsberg: An vier verschiedenen Streckenabschnitten begegnen dem Radler die Zitate als großformatige Schriftzüge auf dem Asphalt:

... über unzählige Brücken durch das immer malerische Tal ...
Olsberg
... das Gebirge hat seinen Zackenkranz abgelegt und sich unter die grüne flatternde Decke gestreckt ...
Bestwig
... es ist der höchste Triumph des eigentlich Mittelmäßigen ...
... die Lorbeerkrone des im Grunde Unbedeutenden ...
Meschede
... Täler weiter wiesengrüner ...
Arnsberg

Ohne nähere Hinweise ist für den Radfahrer gleich zu verstehen, dass die Zitate aus einem literarischen Kontext stammen, da sie – für den öffentlichen Raum ungewöhnlich – in Schreibschrift ausgeführt sind. Die dekorative und schwungvolle Linienführung der Schrift sensibilisiert für den poetischen Gehalt der Worte. Dabei sind die Größen und Wortabstände so ausgelegt, dass sie beim Fahren gut lesbar sind.

Die ausgewählten Kurzzitate der historischen Ruhr-Reise sind geprägt durch die bildreiche, melodische Sprache der Annette von Droste-Hülshoff. Die Wortbilder verbinden sich mit den konkreten Bildern der Gegenwart, der Schriftfluss verbindet sich mit dem konkreten Fahrfluss des Radelns.

Die Platzierung und Verortung der Zitate gibt den Inhalten einen neuen aktuellen Deutungsgehalt, der eine spannende Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart entstehen lässt.